Neuer Lehrplan hat aus Sicht der Medienbildung nicht viel mit 21 zu tun!

Im Rahmen der von mir – Nadja Böller – durchgeführten Lehrveranstaltung „Medienbildung in der Primarstufe – eine kritisch-reflexive Annäherung“ im HS 2016 für Studierende des Studiengangs Primarstufe an der PH FHNW konnte ein Teil der Studienleistung als Blogbeitrag umgesetzt werden. Eine Gruppe der Studierenden wandte sich dem Modullehrplan „Medien und Informatik“ des Lehrplanes 21 zu. Hiermit wird der Beitrag von Corinne Stemmer und Deborah Blaser im Folgenden publiziert: 

Was zeichnet unsere heutige Gesellschaft aus? Wenn man durch die Strassen geht und die Leute beobachtet, so stellt man fest, dass praktisch jede Person ein Smartphone in der Hand hält oder zumindest sich eines griffbereit in ihrer Nähe befindet. Der Blick ist dauernd auf den Bildschirm gerichtet, vielleicht noch mit Stöpseln in den Ohren, als ob sie sich von der Umwelt abschotten möchten. Ein digitales Zeitalter ist angebrochen, in dem digitale Kommunikationsmittel unser Leben zu einem grossen Teil bestimmen. Man stelle sich einen normalen Arbeitstag ohne Internet vor! Für die meisten Leute unvorstellbar.

Kinder wachsen in einem Zeitalter auf, in dem schon jetzt das Smartphone als die wichtigste Erfindung des 21. Jahrhunderts angesehen wird. Zuhause haben 98% aller Kinder Zugang zu einem Computer und einem Smartphone und somit auch zum World Wide Web (KIM-Studie 2014). Das Internet hat mit all seinen Vorzügen sogar das Fernsehen in Sachen Beliebtheit, zumindest bei den Jugendlichen, abgelöst (JIM-Studie 2014).

Auszug aus der JIM-Studie 2016 über die Nutzung von Medien bei Jugendlichen im Alter von 12-19 Jahren

Und was macht die Schule? Der Lehrplan 21, der den Lehrplan für das jetzige Jahrhundert in der Schweiz repräsentieren soll, kann sich mittlerweile immerhin auch mit dem Gedanken anfreunden, den digitalen Medien, der Medienbildung und der Informatik ein wenig mehr Beachtung zu schenken. Es werden hier drei Ziele aufgeführt, die Kinder erwerben sollen:

  1. Medien verstehen und verantwortungsbewusst nutzen
  2. Grundkonzepte der Informatik verstehen und zur Problemlösungen einsetzen
  3. Erwerb von Anwendungskompetenzen

Dies klingt vielversprechend, jedoch bleibt die Frage offen, wie diese Kompetenzen von den Schülerinnen und Schülern erworben werden sollen. Die ICTswitzerland, die Dachorganisation der Verbände sowie der Anbieter- und Anwenderunternehmen von Informations- und Kommunikationstechnologien (ICT), kritisiert am Lehrplan 21, dass er kein eigenes Fach für die Informatik einführt. Auch ein Fach Medienbildung, mit einer deutlichen pädagogischen und kritisch-reflexiven Ausrichtung könnte man einfordern. Dies hat zur Folge, dass diese Ziele über anderer Fächer, zum Beispiel Deutsch oder NMG erlernt werden müssen. Es ist somit von der Lehrperson abhängig, wie und ob überhaupt Medienbildung und/oder Informatik unterrichtet wird.

Auszug aus dem Lehrplan 21: Es wird dargestellt, welche Kompetenzen Schüler/-innen erlernen sollen. Die Quellenverweise zeigen an, welche Fächer sich dabei anbieten würden. (Quelle: http://v-ef.lehrplan.ch/index.php?code=a|10|0|1|0|3)

Hierfür ein weiteres Gedankenexperiment: Man stelle sich eine 4. Primarschulklasse vor, die von einen 65-jährigen und eine andere, die von einem 25-jährigen Lehrer unterrichtet wird. Gehen wir nun hypothetisch davon aus, dass sich der 25-jährige Lehrer in der digitalen Welt auskennt und der 65-jährige vielleicht weniger einen Draht zur Informatik oder Medienbildung hat. Was lernen nun welche Kinder bei welcher Lehrperson über die Informatik und den bewussten Umgang mit digitalen Medien? Vielleicht sieht der ältere Lehrer, der nun schon 40 Jahre Unterrichtserfahrung vorweisen kann und bisher gut ohne Computers auskam, nicht ein, weshalb er sich kurz vor seiner Pensionierung mit digitalen Medien auseinandersetzen sollte. Er habe sowieso den Eindruck, dass die Kinder hierbei eher ihn unterrichten könnten, als umgekehrt. Woher soll er denn auch wissen, wie man den Kinder Medienkompetenzen beibringt, da er ja auch nie dafür ausgebildet wurde.

Im anderen Fall hat der jüngere Lehrer, der mit Computer und Internet aufgewachsen ist, vielleicht schon früh erkannt, die Vorteile der digitalen Medien zu nutzen und diese auch kritisch zu reflektieren. Er setzt Medien vielfältig im Unterricht ein und versucht, damit die Kinder zu motivieren und abwechslungsreiche Lektionen zu gestalten.

Ist es nun gerecht, dass Schülerinnen und Schüler in Sachen digitale Medien – je nach Einstellung einer Lehrperson – ganz andere Dinge lernen, beziehungsweise nicht lernen?

Viele kritisieren genau diese Punkte am Lehrplan 21 im Bereich Medien und Informatik. Die Bedeutung der digitalen Welt wird zukünftig immer stärker werden und es sollte die Pflicht der Schule sein, die Kinder optimal darauf vorzubereiten und somit die Lehrpersonen entsprechend aus- und weiterzubilden.

Zum Glück gibt es aber für jedes Problem fast immer eine Lösung. Wenn die Ausbildung der Schülerinnen und Schüler mit digitalen Medien von den Lehrpersonen abhängig ist und der Lehrplan 21 keine Regelungen zu dessen Unterrichtung vorgibt, so muss ein anderer Ansatzpunkt gefunden werden. Einzelne Fachhochschulen wie die FHNW haben daher beschlossen, dass die angehenden Lehrpersonen zukünftig zumindest ein Modul in informatischer Bildung in der Ausbildung absolvieren müssen. Hier müssen aber auch insbesondere medienpädagogische Themenfelder gleichwertig in den Mittelpunkt gerückt werden.

Dies wäre ein geschickter Weg, die Lücke im Lehrplan 21 zu schliessen und über die pädagogische Ausbildung die Medienkompetenzen in die Schule einfliessen zu lassen.

Schön also, dass sich in Sachen Medienbildung und Informatik im Ausbildungssystem doch noch was tut. Da sagen wird doch nur: Ein Hoch auf die PH21!

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